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Nikolas Haack
Die Initiative Triebwerk berät landwirtschaftliche Betriebe zu Themen rund um die regenerative Landwirtschaft mit Fokus auf Agroforstsysteme und entwickelt neue Lösungen für die Landnutzung. Gemeinsam mit dem Biolandhof Werragut erproben sie ein Agroforstsystem auf 12 Hektar mit über 1000 Gehölzen und 90 verschiedenen Sorten auf Acker- und Grünlandflächen. Nikolas Haack ist Mitbegründer von Triebwerk und teilt in diesem Artikel seine Sicht auf die regenerative Landwirtschaft.
Wir haben uns eingehend mit der Entwicklung der regenerativen Landwirtschaft beschäftigt und sehen uns als Teil dieser Bewegung, auch wenn wir nicht direkt Landwirte sind. Durch unsere Lehre im Rahmen der Universität Kassel/Witzenhausen haben wir uns früh mit der Frage auseinandergesetzt, was regenerative Landwirtschaft bedeutet und wo sie herkommt.
Unseres Wissens nach hat Bob Rodale den Begriff „regenerative Landwirtschaft“ in den 1980er Jahren zum ersten Mal verwendet. Er ist der Gründer des Rodale Instituts, einem Forschungsinstitut für Ökolandbau in den USA. Er und das Institut haben den Ökolandbau in den USA maßgeblich geprägt und im Zuge dessen den Begriff „regenerativ” entwickelt. Unseres Erachtens, wollte er damit sagen, dass der Ökolandbau, unser Verständnis vom Boden und wie die Bewirtschaftung auf diesen einwirkt, weiterentwickelt werden müssen.
Schon damals, als der Begriff regenerative Landwirtschaft entstand, wurden Nachhaltigkeitslücken im Ökolandbau erkannt. Bis heute ist der Begriff „regenerative Landwirtschaft“ jedoch nicht definiert oder geschützt. Er wird von sehr vielen unterschiedlichen Akteuren genutzt, die sich dieser Historie nicht bewusst sind. Dabei sind viele Prinzipien und Ziele des regenerativen und ökologischen Landbaus unseres Verständnisses nach identisch.
Die meisten Akteure des regenerativen Landbaus sehen ein gemeinsames Ziel darin, einen Landbau zu betreiben, der noch nachhaltiger ist als der reine Ökolandbau. Dabei steht „der Boden” für die Betriebe im Vordergrund genauso wie das Thema, CO2 im Boden zu speichern. Trotzdem finden wir konventionelle Bauern, nicht zertifizierte Ökolandbauern, Demeterbetriebe und eine Vielzahl anderer Betriebstypen, die sich selbst als „regenerativ” wahrnehmen. Wie kann das sein?
Beim Begriff „Boden” macht es Sinn, genauer hinzuschauen. Alle Methoden, die sich in ihrem Selbstverständnis nach als Methoden des regenerativen Anbaus verstehen, haben einen gemeinsamen Nenner, der jedoch meist nicht klar benannt wird: die Intensivierung und Förderung der biologischen Aktivität und der Prozesse im Boden. Es ist diese biologische Aktivität, die den Humus aufbaut, somit CO2 speichert und die Bodenfunktionen verbessert. Egal ob Mobgrazing, Market Gardening oder die konventionelle Direktsaat – sie alle zielen im Kern darauf ab, das Ökosystem im Boden zu verbessern, um den Landbau nachhaltiger zu machen. Dadurch soll der Boden in Zukunft viele Arbeitsgänge und Maßnahmen ersetzen (zum Beispiel werden durch gesunde Pflanzen nach und nach Fungizidanwendungen überflüssig).
Die Regeneration des Bodens wird nicht als etwas Statisches oder als ein Ist-Zustand verstanden, der an bestimmte Maßnahmen gebunden ist, sondern als Prozess der einer stetigen Anpassung der Maßnahmen und Praktiken an die Bedingungen des Betriebs bedarf. Je nach Landnutzung kann ein völlig anderes Bodenleben nützlich und sinnvoll sein. Daher kann die Kompostmatte im Marktgarten-System genauso diesem Ziel dienen wie die artgerechte Beweidung der Weidepflanzen durch ein gut gemanagtes Mobgrazing-System oder die Integration von Bäumen und Sträuchern in ein Agroforstsystem. Letzteres kann weitere Vorteile im Boden bringen: Einerseits verringert es Stressfaktoren für das Bodenleben und bringt andererseits zum Beispiel Mykorrhiza und dauerhaft begrünte Bereiche auf den Acker.
Um im Sinne des Bodenlebens zu agieren, bedarf es eines umfassenden Verständnisses des Ökosystems im Boden und dessen, wie und an welcher Stelle die gängigen landwirtschaftlichen Verfahren dem Bodenleben schaden. Dies können in der Weidehaltung die Überweidung der Bestände sein oder eben der Einsatz von Bodenbearbeitungsgeräten und Pflanzenschutzmitteln (bio wie konventionell). Die regenerativ wirtschaftenden Landwirt:innen, mit denen wir zu tun haben, sind für dieses Thema sensibilisiert und bereit, massiv in ihr Bodenleben zu investieren. Sie können aufgrund ihres Wissens rund um den Boden und das Bodenleben sowie einem Verständnis ihres Betriebs im Sinne eines Ökosystems Lösungen für ihren betrieblichen Kontext finden.
Regenerativ wirtschaftende Betriebe verstehen ihren ökologischen, sozialen und ökonomischen Kontext und versuchen auf ganzheitlicher Ebene ihren Betrieb zu führen und arbeiten nicht nach Einheitsrezept. Dies gilt ebenfalls für unsere Kollegen in der Beratung – Standardrezepte werden vermieden und weichen einer ganzheitlichen Betriebsanalyse und einer dem Kontext angepassten Beratung. Somit kann der Mensch als „Nützling” in seinem eigenen Ökosystem als ein „Ökosystemwirt” fungieren, der dieses Ökosystem verbessert und nicht degradiert.
Für unser Verständnis von regenerativer Landwirtschaft nutzen wir folgende Definition: „Regenerative Landwirtschaft umfasst Produktionssysteme, die ihre ökologischen, ökonomischen und sozialen Ressourcen und Funktionen beständig ausbauen. In diesem Prozess werden nicht-erneuerbare externe Stoff- und Energieflüsse zunehmend durch biologische Prozesse im Boden ersetzt, um positive Rückkopplungen zu erzielen. Dies bedeutet, dass regenerative Landwirtschaft als Prozess zu verstehen ist, in dem man sich dauerhaft befindet.” Somit können auch konventionelle Landwirte ein Teil von diesem Prozess sein und werden sich unweigerlich in einiger Zeit in Richtung des Ökolandbaus und darüber hinaus bewegen. Letztlich wird deutlich, dass bei den Praktiken die Unterstützung des Bodenlebens im Fokus steht.
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